Stellungnahme der Vereinigung der Schulleitungen der Förderschulen (VSF) zur Stellenressource intensivpädagogischer Förderbedarf gemäß §15 AOSF
Die Vereinigung der Schulleitungen Förderschule LES fordert im Interesse der Schülerinnen und Schüler mit einem erhöhten sonderpädagogischen Förderbedarf gemäß §4(4) und §15 AOSF, den schleichenden Ressourcenabbau im Bereich der Förderung dieser Schülergruppe zu stoppen und ein klares Bekenntnis für die besonderen Bedarfe bei entsprechender Stellenausstattung zu setzen.
Bis zur Einführung des 9. Schulrechtsänderungsgesetzes wurde die bis dato für die Förderung von Schülerinnen und Schülern mit dem Förderbedarf ESE ausreichende Ressource transparent anhand einer Schüler-Lehrer-Relation sowohl für Schülerinnen und Schüler mit dem Unterstützungsbedarf ESE (1:7,83) als auch für die mit einem erhöhten sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf (1:4,17) berechnet.
Mit der Subsummierung des Förderschwerpunktes ESE unter die Fachrichtungen LES wurde die Berechnungsgröße für die Stellenbedarfe deutlich verändert (1:9,92). Im Wissen um die hoch belastete Schülerschaft ESE wurde die schülerbezogene Ressource durch Stellenzuschläge aus dem Budget des Unterrichtsmehrbedarfs I und II ergänzt.
Bereits mit Einführung des 9. SchRÄG haben verschiedene Verbände und Arbeitskreise auf die Notwendigkeit der langfristigen Aufrechterhaltung der Mehrbedarfe aufmerksam gemacht, um auch weiterhin die vielfältigen und qualitativ hochwertigen Förderangebote gerade für die Schülerinnen und Schüler mit einem erhöhten Unterstützungsbedarf aufrechterhalten und bedarfsorientiert weiterentwickeln zu können. Bedingt durch vielfältige Änderungen, Anpassungsprozesse, Festschreibung des Budgets und Verschiebung von Ressourcen, hat leider dennoch ein schleichender Ressourcenabbau stattgefunden.
Mit der Neuausrichtung der Inklusion in den allgemeinbildenden weiterführenden Schulen zum Schuljahr 2019/20 trat an den Schulen des Gemeinsamen Lernens die Inklusionsformel 25-3-1,5 gemäß Erlass vom 15.10.2018 in Kraft, „nach der eine Klasse […] aus 25 SuS besteht, von denen drei einen Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung haben. Dieser Klasse steht ein Mehrbedarf im Umfang einer halben Lehrerstelle zur Verfügung, der von Lehrkräften für Sonderpädagogik, allgemeinpädagogischen Lehrkräften oder Personen aus der Gruppe der multiprofessionellen Teams besetzt werden kann.“ 1 Dies entspricht rechnerisch einer Schüler-Lehrer-Relation für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf von 1:6 und stellt damit im Vergleich zur Förderschule eine deutlich höhere Stellenzuweisung bei gleichzeitig in der Ausprägung geringerer Problembelastung dieser Schülerinnen und Schüler sicher.
Gleichzeitig wurde für die Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt ESE die über die Schüler-Lehrer-Relation hinausgehende Stellenzuweisung aus dem Mehrbedarf II mit der Einführung der MESK an das Angebot intensivpädagogischer Maßnahmen an den Standorten gekoppelt. Dabei bleibt in diesem Paradigmenwechsel die Frage nach transparenten Kriterien bezüglich der Ressourcenzuteilung zurzeit noch offen.
Die Notwendigkeit, die Qualität der intensivpädagogischen Konzepte an den Standorten zu erhalten und weiterzuentwickeln, wird durch die Zwischenergebnisse des interdisziplinären Kooperationsprojektes
„Psychische Gesundheit von Schülerinnen und Schülern an Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt Emotionale und soziale Entwicklung“ (PEARL) zwischen Universität zu Köln und den teilnehmenden Förderschulen ESE auch deutlich untermauert.
Die in der ersten Erhebungsphase 2018 mit dem Diagnosesystem für Psychische Störungen (DISYPS-III) gewonnenen Daten belegen, dass von den 698 (der) erfassten Schülerinnen und Schüler an den beteiligten Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt ESE ca. 80 % im Bereich der psychischen Auffälligkeit hochgradig und teilweise komplex belastet sind. 80,1 % der Schülerinnen und Schüler weisen psychische Auffälligkeiten im Bereich der externalisierenden Störungen (ADHS und SSV) auf. Dabei ließen sich bei ca. 60 % der Kinder und Jugendlichen dieser Gruppe Komorbiditäten mit psychischen Auffälligkeiten sowohl aus dem Bereich der externalisierenden als auch internalisierenden Störungsbilder (Angst und Depression) nachweisen. In der Gruppe der internalisierenden Störungsbilder wurden insgesamt ca. 22 % als auffällig bzw. sehr auffällt ermittelt. (vgl. ZfH. 71;2020). „Ein weiteres wichtiges Indiz für das Vorliegen psychischer Auffälligkeiten ist die Dimension der individuellen Funktionsbeeinträchtigung“ (ebd.). Hier zeigt sich, dass 70 % der Schülerinnen und Schüler sehr auffällig sind und lediglich 3 % der Stichprobe gar keine Auffälligkeiten zeigte.
Mit den hier kurz umrissenen Ergebnissen der Studie wird deutlich, dass ein sehr hoher Anteil der Schülerinnen und Schüler der FöS ESE dringend auf besondere Rahmenbedingungen und Schutzräume sowie auf intensivpädagogische und interdisziplinäre Angebote angewiesen ist, um überhaupt am Schulleben teilnehmen zu können.
War ein leichtes Zurückfahren der Ressourcen in den vergangenen Jahren noch teilweise durch einen erhöhten Arbeitseinsatz aller Kolleginnen und Kollegen der Förderschulen ESE zu kompensieren, so ist inzwischen ein Punkt erreicht, der auch bei bester Organisation der Schulen und vollem Einsatz aller Kolleginnen und Kollegen nicht mehr zu kompensieren ist. Die Grenze der Arbeitsfähigkeit der Förderschulen ESE ist erreicht und in Teilen schon überschritten.
Die Förderschule ESE trägt aufgrund Ihrer Funktion als unterstützendes subsidiäres Schulsystem wesentlich zum Gelingen des Gemeinsamen Lernens bei und übernimmt darüber hinaus durch die zielgerichtete sonderpädagogische Unterstützung von Schülerinnen und Schülern, die ohne diese Unterstützung sehr schnell durch jedes Raster fallen würden, eine bedeutende gesamtgesellschaftliche Aufgabe wahr. Außer der Förderschule ESE gibt es keine schulische oder überhaupt andere Institution, die diese Schülerinnen und Schüler dauerhaft bzw. über längere Zeit (aus-)hält.
Der VSF fordert im Interesse der Förderung der Schülerinnen und Schüler mit dem Unterstützungsbedarf ESE sowie insbesondere für die SuS mit intensivpädagogischem Unterstützungsbedarf, die Stellenressourcen zu erhöhen. Dies ist zwingend notwendig, um den oben angesprochenen Problemlagen in der notwendigen Art und Weise zu begegnen.
Diese Erhöhung muss sich unabhängig von einem festgeschriebenen Budget an den realen Bedarfen aller mit dem Unterstützungsbedarf ESE – besonders der intensivpädagogisch – zu fördernden Schülerinnen und Schülern orientieren.
Hier sind unterschiedliche Stellenberechnungsmodelle denkbar, in jedem Fall muss dabei die Stellenressource über dem Ansatz des 2019 für die Förderung der Zielgruppe im Gemeinsamen Lernen anerkannten Ressource von 1:6 liegen.
Für die Vereinigung der Schulleitungen der Förderschulen LES
gez. Jan Peter Meier, Jürgen Bernroth